Pforte mit Schriftzug "FRANZISKANER KLOSTER" in Wiedenbrück

Das Franziskaner-Kloster Wiedenbrück wird geschlossen

Was bleibt, wenn die Brüder gehen?

Das Franziskaner-Kloster im ostwestfälischen Wiedenbrück wird im Sommer 2020 geschlossen. Der Franziskuskreis hat eine besondere Beziehung zum Kloster und dem letzten Guardian, Bruder Korbinian Klinger. Ein Blick auf die Schließung des Attendorner Klosters 1998 zeigt, wie einschneidend ein solcher Schritt ist – aber auch, welche Möglichkeiten er eröffnet.

Der Franziskusbrunnen im Garten des Franziskaner-Klosters in Wiedenbrück
Der Franziskus-Brunnen im Garten des Franziskaner-Klosters in Wiedenbrück zeigt Franziskus’ besonderen Bezug zur Tierwelt. Foto: Janine Brinkemper

Seit einigen Jahren deutete es sich schon an, nun steht es fest: Viele Franziskaner-Klöster müssen geschlossen werden, unter ihnen auch jenes in Wiedenbrück. Vorausgegangen war ein langer Entscheidungsprozess in der deutschen Franziskaner-Provinz, welche Klöster von einer Schließung betroffen sein werden. “Projekt Emmaus” haben die Franziskaner ihn genannt, nach dem bekannten Evangelium nach Lukas von Ostermontag:

Die beiden Jünger, die sich auf den Weg nach Emmaus machen, haben nach der Kreuzigung das Vertrauen in ihren Heiland verloren. Doch dann erkennen sie ihn wieder und kehren frohen Mutes nach Jerusalem zurück, um von ihrer Begegnung mit Jesus zu erzählen. (Lk 24,13-35)

Es ist also eine Geschichte vom Übergang: von der Enttäuschung, aber vor allem von einem Neubeginn.

Einige Klöster der deutschen Franziskaner-Provinz wurden und werden geschlossen. Denn die Anzahl der Mönche sinkt, das Durchschnittsalter der verbliebenen aber steigt stetig. Vor allem die Schließung des Klosters in Wiedenbrück betrifft uns – und macht uns betroffen.

Im Jahr 2006 das Kloster zum ersten Mal das Ziel unserer Reise, als die franziskanischen Wanderung dort endete. Einige besuchten hier auch die ehemaligen Attendorner Brüder Martin und Ferdinand, der dort – wie schon in Attendorn – den Garten pflegte. Und seit 2012 kommen wir anlässlich der spirituellen Wochenenden regelmäßig im Franziskushaus zusammen. Bei diesen begleitet uns Bruder Korbinian, der seit acht Jahren unser geistlicher Begleiter ist.

Das verbinden wir mit dem Kloster in Wiedenbrück

Als Guardian, also verantwortlichem Bruder der Hausgemeinschaft, leitet Bruder Korbinian nun auch die Schließung des Klosters. Eine 375-jährige franziskanische Tradition geht in Wiedenbrück zu Ende.

Wir verbinden neben der Gemeinschaft mit den Brüdern viele schöne Erinnerungen mit dem Kloster. Zuallererst ist der Klostergarten zu nennen, der nach Ferdinands Tod mittlerweile in anderer Hand ist. Er ist in ganz Wiedenbrück bekannt und lud auch uns immer wieder zum Staunen und Verweilen ein.
Der charakteristische Mönchsbogen, der das Kloster mit der Marienkirche verbindet, begrüßte uns schon von Weitem.
Das Franziskus-Gästehaus mit seinen berüchtigten Doppelstockbetten bis fast unter die Decke war uns immer wieder eine schöne Herberge.
Mit seinen Holzvertäfelungen und lateinischer Inschrift machte das Refektorium die Geschichte des Ortes erlebbar.
Gleiches gelang der beeindruckenden Bibliothek mit den vielen historischen Büchern.
Und am Abend kamen wir mit Rotwein oder einer Litschi-Bionade im urigen “Schafstall” zum Plauschen, Kickern oder Activity-Spielen zusammen.

All das wird es in Zukunft nicht mehr geben, wenn die Franziskaner den Ort verlassen haben. Die Traurigkeit über den Weggang der Ordensbrüder ist in Wiedenbrück groß.

Die Franziskaner hinterlassen eine große Lücke

Diese schmerzliche Erfahrung mussten auch wir vom Franziskuskreis machen. Vieles erinnert uns an 1998, als die Franziskaner Attendorn verließen. Spätestens als im Jahr 2001 die Klosterkirche abgerissen und das Gelände verkauft wurde, war auch dem Letzten klar, dass es kein Zurück mehr gibt. Diese Erkenntnis aber bot damals – und bietet heute – die Möglichkeit eines Neubeginns. Franz Josef Rawe blickte im Franziskaner-Magazin zurück: “Wir haben uns sehr darum bemüht, die Kirche als einen Ort der Begegnung offenzuhalten. Aber ähnlich wie Franziskus haben wir irgendwann gemerkt, dass wir doch die lebenden Steine brauchen – die Menschen. So konnten wir die Kirche abgeben.” Losgelöst von der Örtlichkeit fanden wir neue, spannende Wege, franziskanische Spiritualität zu leben. Zunächst “nur” in Attendorn, aber zunehmend auch weit verzweigter. Hätten wir sonst je das Kloster in Wiedenbrück und Bruder Korbinian kennengelernt?

Wie lässt sich die Lücke füllen?

Die Wiedenbrücker*innen haben sogar die besondere Möglichkeit, das Klostergelände im franziskanischen Sinne weiterzunutzen. Dazu ist vor einigen Monaten eine Genossenschaft gegründet worden, um die Finanzierung auf ein solides Fundament zu stellen. Das spirituelle Zentrum im Herzen Wiedenbrücks soll auch in Zukunft Bestand haben.

Aber auch hier zeigt sich: Der Schatz ist nicht nur Gelände, es sind vor allem die Menschen, die sich für dieses Gelände einsetzen und es mit Leben füllen. Der Schatz sind die Menschen, die dies zuvor getan haben, und nun vor allem jene, die es in Zukunft tun werden.

So ging es auch den Menschen zur Zeit von Jesus. Nicht die Tempel, Opferaltäre oder Versammlungsstätten, in die sich die Jünger zurückzogen, bleiben im Gedächtnis. Es sind die Geschichten und die Frohe Botschaft vom Reich Gottes, die wir noch heute erzählen. Weitergetragen von Generation zu Generation – von den Menschen zu den Menschen. Hoffentlich wird die Frohe Botschaft auch nach der Schließung des Klosters und dem Weggang der Brüder noch lange in Wiedenbrück weitergetragen.

Christian Griese, 12.06.2020