Erneuerung ist ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens. Das gilt auch für die Kirche, heute mehr denn je. Wir haben bei einigen Menschen nachgefragt, was Kirche ihnen persönlich heute bedeutet. Die Einladung lautete, den Satz „Kirche ist für mich….“ weiterzuschreiben und persönliche Gedanken auszuformulieren.
Kirche ist für mich…
… wie ein leeres Schiff ohne Anker, das seinen Kurs neu finden muss.
Kirche ist für mich…
…wie ein kranker Baum, der seine Wurzeln wiederfinden muss, um zu gesunden.
Heike Hesse
Kirche hat für mich …
… viele Facetten und ich bedauere sehr, dass ein Teil von Kirche so mit sich selbst beschäftigt ist und sich zu zerlegen droht.
Ich möchte mich auf zwei Bereiche beschränken:
Kirche als Institution und Kirche als Glaubensort.
Kirche als Institution ist mir fremd geworden. Die Strukturen werden mit aller Macht verteidigt, obwohl diese dringend geändert werden müssten. Missbrauchsfälle, die nicht aufgeklärt werden, Verharmlosung von Straftaten, eigenes Rechtssystem, Ausgrenzung und Sanktionierung von anders Denkenden, die Rolle der Frauen in der Kirche, Systemprofiteure wie Tebertz, Wölki, Ratzinger, die es den wirklichen, guten Seelsorgern immens schwer machen und der Glaubwürdigkeit von Kirche schwer schaden.
Kirche ist für mich aber auch Glaubensort, Kirche als spirituelle Quelle, Kirche mit Jesus, Gott, dem Heiligen Geist und den Menschen guten Willens als Mittelpunkt. Eine geschwisterliche Kirche, in der alle gleichberechtigt und von Gott geliebt sind, in der jeder Mensch willkommen ist.
Es gibt wunderbare Menschen, Frauen und Männer, vorbildhafte und überzeugende Priester, Ordensfrauen und -männer, selbst Bischöfe oder Papst Franziskus, die sehr überzeugend sind und sich weniger von der Institution als vom menschenfreundlichen Gott leiten lassen.
H.H.
Kirche ist für mich…
zunächst einmal das Gebäude. Sei es eine Kirche, ein Dom oder eine Kapelle. Dann ist Kirche für mich die Gemeinde, wo ich lebe. Darüber hinaus ist für mich Kirche in der ganzen Welt mit ihrer Vielfältigkeit und Phantasie, die bei uns noch nicht angekommen ist.
Monika Keine
Kirche ist für mich …
… nicht das Gleiche wie der Glauben in einer Gemeinde – in einer Gemeinschaft – an eine Gemeinschaft.
Die Kirche als Gebäude wird abgerissen (wie das Attendorner Franziskanerkloster vor mehr als 20 Jahren) – und doch bleibt die Gemeinschaft bestehen.
Die Kirche als Institution beschreitet nicht vertretbare Irrwege – und doch bleibt die Gemeinschaft bestehen. Hoffentlich.
Christian Griese
Kirche ist für mich…
… von Kindesbeinen an Heimat gewesen. In kleinen Diasporagemeinden im Ausland, aber auch später in Attendorn, insbesondere bei den Franziskanern, erlebte ich Lebendigkeit und Gemeinschaft im Glauben.
Kirche im Sinne eines Gebäudes kann auch auf Menschen, die der Kirche fernstehen, ein Anziehungskraft ausüben – sei es als historisches Kulturgut, als ortsbild- oder landschaftsprägendes Element oder als spiritueller Kraftort.
Kirche im Sinne der Institution ist mit den inhärenten Mängeln einer jeden Institution behaftet: Machtstrukturen und Hierarchien können die Ursprungsidee ersticken, mit der einst alles begann. Wenn das Feuer nicht mehr brennt, leidet die Substanz und die Institution wird baufällig.
Für mich ist Kirche in erster Linie Glaubensgemeinschaft. Kirche ist etwas, das Bestand hat, auch wenn sie aus einem Gebäude ausziehen muss oder wenn sie ihr institutionelles Gewand ablegt.
Kirche muss immer auch ein Schutzraum sein – ein Sanktuarium, ein Ort, an dem die Würde des Menschen heilig ist. Sonst verliert sie ihre Glaubwürdigkeit und zerfällt von innen.
Christlicher Glaube braucht Querverbindungen. Kirche ist der Ort, wo das gelebt wird.
Angela Selter
Kennst Du die Geschichte von der Quelle?
Anfangs sprudelte aus dieser Quelle das Wasser des Lebens. Die Menschen kamen und tranken das klare und erfrischende Wasser aus der Quelle.
Dann kam jemand auf die Idee, einen Brunnen zu bauen und die Quelle einzufassen. Einige bauten eine Mauer und ernannten sich zu Besitzern der Quelle.
Sie stellten Regeln auf, wer würdig sei einzutreten, und verlangten schließlich einen Eintritt. Über der Quelle wurde ein prunkvolles Gebäude errichtet. Gelehrte kamen zusammen, um über das Wesen des Wassers zu disputieren.
Kaum jemand bemerkte, dass die Quelle immer schwächer wurde. Und als sie gänzlich versiegt war, war sie schon lange vergessen.
Den einen genügte es, die prächtige Kathedrale über der Quelle zu bestaunen, andere waren rund um die Uhr damit beschäftigt, das Gebäude zu reparieren und auszubauen.
Die Gelehrten disputierten weiter, die meisten ohne selbst je aus der Quelle getrunken zu haben.
Der Quelle suchte sich einen anderen Ort, wo sie frei sprudeln konnte – und einige Mutige und Abenteuerlustige machten sich auf den Weg, nach der Quelle zu suchen und selbst vom Wasser des Lebens zu trinken.
Jan Frerichs ofs
Wenn Du auch zu den Abenteuerlustigen gehörst, könnte Dich Jans Podcast zu diesem Thema interessieren: „Drei Gründe aus der Kirche auszutreten (und warum ich trotzdem bleibe)…“.
Hier geht’s zum Blog und hier geht’s direkt zu Spotify.
Egal, wie wir Kirche definieren, ist sie doch immer ein Mosaik individueller Standpunkte und Glaubenserfahrungen. Erst in der Zusammenschau erhält das Bild ein Gesicht, seine Seele erhält es durch das Wirken Gottes unter uns.
Ist Kirche nicht ein Raum, der das Beste im Einzelnen zum Vorschein bringen möchte? Wie passt es da, wenn die Fundamente durch Missbrauchsfälle ins Wanken geraten? Woher kommst Du, wohin gehst Du, Kirche?
In einer Zeit des Krieges in Europa wird es immer wichtiger, Kirche zu sein und Kirche zu leben. Es geht darum, den Menschen in seinen besten Anlagen zu fördern und zu bestärken, denn im Krieg geschieht genau das Gegenteil. Der Krieg lässt Menschen zu Unmenschen werden. Jeder Mensch trägt verschiedenste Anlagen in sich – entscheidend ist, welche davon gepflegt, genährt, sonnenbeschienen und bewässert werden. In diesem Sinne senden wir Euch von Herzen den franziskanischen Gruß: Pax et bonum – Frieden und Gutes!
Euer Franziskuskreis
In dieser Zeit war uns eine Standortbestimmung ein wichtiges Anliegen und wir freuen uns sehr über weitere Zuschriften. Wenn Ihr Euch hierdurch inspiriert fühlt, auch Eure Gedanken niederzuschreiben, freuen wir uns. Wenn Ihr sie uns zuschickt (E-Mail: info@franziskuskreis.de), veröffentlichen wir sie gerne hier und in einem der kommenden Monatsbriefe.