Ein Rückblick mit Ausblick

Spirituelles Wochenende mit Bruder Korbinian Klinger im Bergkloster Bestwig

„Die grünende Lebenskraft, die Viriditas, wohnt allem Existierenden inne. Sie ist der Funken, der das Leben entzündet, in den Schönheiten der Natur leuchtet und in den Sternen brennt. Sie ist das Fundament des Universums, auf dem das Leben beruht.“

Heilige Hildegard von Bingen

Mit  kraftvollen Aussagen dieser Art begrüßte uns Bruder Korbinian am Beginn unseres Wochenendes mit dem Franziskuskreis im Bergkloster Bestwig Anfang Oktober. Die Vorstellungsrunde mit den Dingen, die in unserem Alltag „grün“ sind, war der Auftakt zu intensivem Austausch zu den Übergängen in unserem Leben, was letztlich in einen Gottesdienst mit Elementen des Transitus sowie eine lebendige, wertschätzende Rückmelderunde mündete.

Doch der Reihe nach.

Gestaltete Mitte beim spirituellen Wochenende mit dem Franziskuskreis und Korbinian Klinger. Foto: Monika Keine

Die Sternstunden des spirituellen Wochenendes

Was ist es, was von diesem Wochenende bleibt, nachdem acht Wochen voller anderer Eindrücke sich davor drängeln? Was bei mir bleibt, also nachhaltig ist, ist das, was sich mit meinem Alltag verknüpft oder was mich staunen lässt oder mir Freude bereitet. Die Sternstunden sozusagen.

Tatsächlich verspüre ich bei jedem Spaziergang eine Dankbarkeit: für den Weg, den Himmel über mir, die Sonne, so sie denn scheint, die Luft, die Vögel, das Gras unter meinen Füßen, die Bäume und die Fähigkeit, spazieren gehen zu können. Das alles, so habe ich es verstanden, trägt den schönen Namen „Grünkraft“. Sie ist von Gott in die Schöpfung gelegt als Ausdruck seiner Liebe und damit das Fundament des Universums. Ich finde es unwahrscheinlich tröstlich, dass uns das auch bei allen Einschränkungen, die es coronabedingt gibt oder noch geben wird, immer erhalten bleibt und nicht genommen werden kann.

Übergänge: jedes Jahr, im ganzen Leben

Weiterhin erläuterte Bruder Korbinian das breite Spektrum des Themas „Übergänge“. Mit dem Jahreswechsel steht uns in Kürze wieder ein solcher Übergang bevor.

Früher wurden die Monate nach dem Mond berechnet, also von Neumond zu Neumond oder von Vollmond zu Vollmond. Doch dann wurde eine neue Zeitrechnung eingeführt: das Sonnenjahr. Und damit waren am Jahresende einige Tage übrig, weil die Erde für eine Sonnenumrundung länger braucht als zwölf Mondmonate. Die Nächte zwischen diesen Tagen sind die „Rauhnächte“. Sie beginnen mit unserer „Weihnacht“ und enden mit der Nacht vor dem 6. Januar. Damit bekommt das Ganze einen (christlichen) Sinn: In dieser zeitlosen Zeit lässt Gott uns nicht alleine. Er kommt zu uns als Kind, als Mensch gibt er sich den Menschen zu erkennen. Bis am 6. Januar die Sterndeuter aus dem Osten, stellvertretend für Menschen aus allen zur Zeit Christi bekannten Erdteilen, die Existenz Gottes auf Erden bezeugen. Eine Sternstunde der Weltgeschichte.

Den Nachmittag nahmen wir uns Zeit für die nicht so spektakulären, aber doch „weltbewegenden“, oft bedeutenden Übergänge in unserem persönlichen Leben: der Übergang von der Schule oder der Ausbildung ins Berufsleben oder vom Berufsleben in den Ruhestand; der Übergang, wenn Kinder oder Enkelkinder geboren werden oder wenn sie das Haus verlassen und ihr eigenes Leben gestalten; der Übergang von einer Zeit vor Corona zu einer Zeit mit Corona; oder schlicht unser Älter-Werden und die Idee der Gestaltung eines würdigen Übergangs aus diesem Leben.

Die Liturgie zum Übergang des Heiligen Franziskus aus diesem Leben, der Transitus, eint über Grenzen hinweg und durch mehrere Jahrhunderte hindurch am 3. Oktober alle, die sich zur franziskanischen Familie gehörig fühlen. So erinnerten auch wir uns im Rahmen eines Gottesdienstes mit den entsprechenden Texten an den Tod des Heiligen Franziskus. Auch das bleibt als Sternstunde für mich in Erinnerung: Korbinians Fähigkeit, die Ereignisse des Wochenendes mit den liturgischen Texten zu verbinden und daraus ein ganz persönliches Gottesdiensterlebnis zu gestalten; Teilnehmende, die des Singens und des Musizierens fähig sind und damit unser gesamtes Wochenende, besonders jedoch die Messfeier bereicherten. Wie lange haben wir das vermissen müssen.

Lass die Lebenskraft in deinem Leben wirken

Die Lebenskraft wohnt allem Existierenden inne. Sie ist unabhängig davon, ob wir es merken oder nicht. Für unsere eigene Lebenskraft jedoch und für den Erhalt unserer Erde ist es wichtig, dass uns bewusst wird: Das Fundament unseres Universums ist die Liebe, die Gott in die Schöpfung hineingelegt hat. Diese Liebe zeigt sich an Weihnachten in der Menschwerdung Gottes. Sie zeigt sich in allen Menschen, in allen Geschöpfen, in der Freude, in der Musik, an den Wendepunkten und Übergängen unseres Lebens. Wenn wir es nur zulassen und wenn wir unsere Sinne dafür öffnen.

Maria Griese-Schulte